Dr. Dirk Richhardt

Referent

Stiftung Gedenken und Frieden

Sonnenallee 1 | 34266 Niestetal

www.gedenkenundfrieden.de

Teilnehmer MUSEALOG 2017

Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg

Damm 1 | 26135 Oldenburg

Kursbuch MUSEALOG 2017

MUSEALOG und die Stärkung der Resilienz

Am Anfang war die Kündigung. Es hätte mehr Würde gehabt, wenn es nicht in einer Fußgängerzone ausgesprochen worden wäre. Auch das achselzuckende „Wir können Sie leider nicht weiter beschäftigen“ machte die Sache nicht besser. Der Vorstand hatte lange getagt und wollte nun nach Hause und daher eben die Szene in der Fußgängerzone. Bisher war jeder Wechsel ein Schritt nach oben, diesmal aber nicht. Ich war nun ein Geschäftsführer ohne Handy, Laptop, Kreditkarte, Schlüssel. Das Bedauern meiner Mitarbeiter*innen hielt sich in Grenzen, sie waren den Verschleiß von Geschäftsführern schon gewohnt.

Dann begann die Tour durch die Ämter. In der Provinz traf ich auf wenig Verständnis für Akademiker. „Tja, wenn Sie Handwerker wären, aber, was sind Sie noch mal?“ Historiker, promoviert mit Berufserfahrungen und Ausbildungen in Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Fundraising. Was jetzt, mit 55, verheiratet, mit Haus und Kind? Letztere Sorgen lösten sich dann von alleine: Der beruflichen folgte bald die familiäre Kündigung.

Dann kam MUSEALOG, am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg. Eine berufliche und familiäre Chance? Manchmal führt ja eine Trennung auch wieder zusammen. So fuhr ich nach Oldenburg. Die Wirtin war auf MUSEALOG-Gäste eingerichtet. Gegessen wurde um 19.00 Uhr. Sehr schön, eine offene Tür zu finden, wenn die zum eigenen Haus gerade verschlossen wird. Die Lage meiner Unterkunft war ideal: Nahe am Ort der Schulungen und des Arbeitsplatzes. Die Teilnehmer waren durchweg Historiker*innen, Archäolog*innen, Kunsthistoriker* innen, vermutlich war ich der älteste. Die Dozent*innen kamen aus der Praxis, manches war bekannt, vieles war neu und einiges überforderte mich, aber mir wurde geholfen. Interessant waren das Lehrgebäude und die Umgebung. Es gab sehr guten Kaffee im Forum St. Peter und ein sehr gutes Mittagessen im Pius-Hospital. Überhaupt gab es viel zu entdecken: Oldenburg, Ostfriesland, die Küste, das Meer und die anderen MUSEALOG-Museen. Einem kalten Winter mit Eis und Schnee, sehr schön zu betrachten in einem Strand-Café mit heißem Tee, folgte ein schöner Sommer, natürlich auch mit Strand und Kaffee.

Die praktische Arbeit erfolgte in einem renommierten Haus in Oldenburg. „Wir haben hier eine historische Fotosammlung“, so der Direktor, also zurück in meine Vergangenheit, in meine Zeit im Fotoarchiv Marburg. Es gefiel mir, ich hatte ein Büro, sehr nette Kolleg*innen, eine interessante Aufgabe, ich liebte den Geruch im Archiv und das Arbeiten mit dem hochwertigen Bildmaterial des späten 19. Jahrhunderts. Eine Bildersammlung wichtiger Fotografen und Ateliers mit Motiven rund ums Mittelmeer. Erfassen, erkennen, einordnen, zuordnen, systematisieren, kontextualisieren und ab und zu etwas preisgeben von dieser „Geheimwissenschaft“ der Bildbestimmung. Meine MUSEALOG-Kollegin fand das auch spannend, verließ ihre Keramiksammlung und wechselte ins Bildarchiv. So konnte ich mich mit ihr austauschen und sie kannte sich auch besser mit der EDV aus. Nebenbei setzten wir noch weitere Projekte um, etwa zum Maler Tischbein, publizierten in der örtlichen Zeitung und in Fachbüchern und gaben sogar ein Radiointerview.

Wenn der Direktor mich gefragt hätte, ob ich die bisherige Tätigkeit ehrenamtlich oder geringfügig bezahlt weiterführen würde, ich wäre vermutlich schwach geworden. Aber er hat nicht gefragt und im Nachhinein war das auch gut so. Auch die schönste MUSEALOG-Zeit geht einmal zu Ende und das Leben kostet Geld. Daher war es wichtig, mich wieder auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren. Die Beratung durch die Fachleute von MUSEALOG half dabei: Recherchieren, Bewerbungen schreiben, die hohe Kunst, ansprechende Anschreiben zu formulieren und Vorstellungsgespräche souverän zu meistern. Und irgendwann klappte es dann; das ist nun schon einige Jahre her.

Ich bin zwar kein Museumsdirektor geworden, aber während eines Vorstellungsgesprächs wurden meine Fähigkeiten als „Marketingmann und Geldbeschaffer“ erkannt. Seit mehreren Jahren ist das Finanzmanagement für die Stiftung Gedenken und Frieden des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. nun mein Arbeitsbereich. Ich besorge Mittel und vergebe diese mit dem Schwerpunkt der Friedensbildung Jugendlicher. Es freut mich besonders, wenn ich Kulturprojekte fördern kann, die der internationalen Friedensförderung dienen. Angesichts des erneuten Krieges in Europa eine erschreckend aktuelle Aufgabe. So war die MUSEALOG-Zeit neben einer Phase der Aufarbeitung und der Neuorientierung auch eine des Krafttankens zur Stärkung meiner Resilienz, um auch außergewöhnliche Anforderungen und schwierige Situationen ohne negative Folgen für die psychische Gesundheit zu bewältigen. Das war mir damals nicht bewusst, aber heute profitiere ich davon, genauso wie meine Umwelt.

Dr. Dirk Richhardt, November 2022